Während der Übergabe der Nominierungsurkunde an Jürgen Klinsmann sprach er mit uns über die Entwicklung des US-Fußballs, seine Wirkung als Trainer und gab einen Rückblick auf die WM 2014.
Wie fühlt es sich an, wenn während der WM auf einmal zahlreiche US-Amerikaner zu Fußball-Fans werden? Allen voran der Präsident. Welche Auswirkungen hatte die WM 2014 auf die Wahrnehmung des Fußballs im Land?
Ich glaube, die WM 2014 in Brasilien war ein Durchbruch des Fußballs in den Vereinigten Staaten, weil zum ersten Mal die Emotionen richtig rübergeschwappt sind vom Austragungsland Brasilien zum Heimatland in die USA, Dort wurde in der Form der Fußball noch nie so gelebt – mit den ganzen Events und Public Viewing überall. Das gab es vom Fußball eigentlich noch nicht bis zu diesem Zeitpunkt. Wir hatten wahnsinnig viele Fans mit in Brasilien, die uns unterstützt haben und da kam das Echo dann auch. Ich glaube, Social Media, also die sozialen Medien, tun auch das Ihrige dazu, dass der Sport einfach immer mehr am Wachsen ist. Ich glaube auch, dass der Fußball mittlerweile angekommen ist in den USA und immer populärer wird.
Du sagtest im November im Guardian, die USA hätten bei der WM zwar die Gruppenphase überstanden, müssten aber noch lernen, wie man eine KO-Runde übersteht, könntest Du uns das etwas näher erklären?
Ich glaube, dass halt noch nicht so der Glaube da ist, bei einer WM unter die letzten Vier mal zu kommen. Mal richtig mitzuspielen mit den ganz Großen. Ich denke, es ist immer der Glaube da, aus einer Gruppe herauszukommen, egal gegen welche Mannschaften. Auch gegen eine Mega-Gruppe, die wir jetzt in Brasilien hatten mit Portugal, Ghana und natürlich auch Deutschland. Das trauen sie sich zu, aber dann im KO-Systemmüssen wir eigentlich Runde für Runde weiter. Wo eigentlich für Deutschland das Turnier erst anfängt, da ist es bei uns dann zumeist zu Ende. Das ist ein Lernprozess der im Kopf stattfindet. Da geht es nicht um die Qualität der einzelnen Spieler, oder das Fußballerische bzw. das Taktische, sondern es geht darum, die Mentalität, diesen Willen zu haben, sich jetzt auch im K.O.-System durchzusetzen. Ich glaube, da ist die deutsche Mannschaft natürlich vielen voraus, weil sie bei jeder WM wiederholen, zumindest unter die letzten Vier zu kommen. Das ist der nächste große Schritt für den Fußball in den USA, bei einer WM auch mal bis zum Schluss dabei zu sein.
Mit drei Worten: Wie würdest Du den US-amerikanischen Fußball beschreiben?
Sehr lernfähig, voller Energie und auch sehr athletisch.
Der Amerikaner hat eine sehr gute Athletik, auch durch die anderen großen Sportarten in den USA. Da kommen so viele große Talente aus dem Sport hervor, die dann irgendwann später mal festlegen, Basketball, American Football, Baseball oder dann doch vielleicht Fußball zu spielen.
Du selbst warst als Profi in den Neunzigern im Ausland tätig, wie hat sich das Deutschland-Bild seither verändert, also wie wirst Du als Deutscher in den USA wahrgenommen, oder auch in Europa? Anders als vorher?
Es hat ein großer Veränderungsprozess die letzten zwei, drei Jahrzehnte stattgefunden. Seit die Mauer runter ist und die Wiedervereinigung kam, da wollte die Welt wirklich ein neues Deutschland sehen und Deutschland hat der Welt ein neues Deutschland gezeigt, vor allem mit der WM 2006. Ich glaube auch, dass die Menschen weltweit viel Wertschätzung haben für die deutsche Mentalität, die Charakteristiken und was Deutschland sich aufgebaut hat. Dadurch, dass man im Herzen Europas ist, hat man auch ein multikulturelles, ein relativ großes, internationales Bild transportiert nach außen. Wo immer ich hinkomme, also egal, Südamerika, Asien, andere Kontinente, werden viele Komplimente verteilt an die Deutschen.
Du bist für den Award „Deutscher Fußballbotschafter 2015“ nominiert. Berti Vogts sagte im letzten Jahr: „Jürgen Klinsmann ist Deutschlands bester Botschafter“. Vogts vertrat Deutschland selbst jahrelang im Ausland. Ist man sich als Trainer eigentlich selbst der Bedeutung bewusst, wie sehr das eigene Verhalten auf das Deutschlandbild im Ausland abfärbt oder darstellt?
Nein, ich denke nicht, dass Dir das bewusst ist, denn du machst ja deine Arbeit, konzentrierst dich darauf und hoffentlich ist es dann eine gute Arbeit, die respektiert wird und anerkannt wird. Ich denke schon durch meine gesamte Spielerkarriere hinweg, wo ich in verschiedenen Ländern spielte, habe ich schon auch gemerkt, egal welche Nation du jetzt vertreten würdest, der Leistungssportler vertritt in einer gewissen Art und Weise sein Ursprungsland und du wirst ja damit auch immer wieder verbunden oder angesprochen. Über den längeren Zeitraum hinweg wird dir schon auch bewusst, dass du, ob du jetzt willst oder nicht, auch ein bisschen von dem zeigst, was deine Ursprünge sind und wo du deine Wurzeln hast. Wenn es ein Kompliment ist, dann umso schöner. Es ist immer besser ein Kompliment, als eine Kritik. (lacht Anm. d. Redaktion)
NOMINIERTE DEUTSCHER FUSSBALL BOTSCHAFTER 201
Die Initiative „Deutscher Fußballbotschafter“ wurde im letzten Jahr erstmals durch den Deutschen Außenminister eröffnet, findet auch zukünftig im Auswärtigen Amt statt, wie wichtig ist so eine Initiative, oder was ist gut an so einer Initiative, dass es so etwas gibt?
Also ich denke es ist wichtig zu transportieren, wieviel Leute im Ausland leben und dadurch auch ihr Heimatland repräsentieren. Deutschland ist ein Aushängeschild weltweit, für Qualität, für Ehrlichkeit, für Pünktlichkeit und für viele andere Charakteristiken, für Offenheit, auch für harte Arbeit. Ob das jetzt in der Politik, in der Wirtschaft oder im Sport ist, alle die im Ausland leben vertreten dann dieses Image das Deutschland an sich aufgebaut hat über so viele Jahre hinweg. Da ist man auch ein bisschen stolz drauf. Ich bin auch ein bisschen stolz drauf zu sehen, was in Deutschland passiert und wie sich Deutschland positioniert hat in der Welt und vor allem natürlich im Herzen Europas. Da sieht man sich dann auch drin wieder. Das muss nicht heißen, dass man alles miteinander teilt, aber man hat dann schon auch dieses Gefühl: Ich repräsentiere etwas mit, was Wertigkeit hat, was Nachhaltigkeit hat und was einen ein bisschen stolz macht.
Mit Deiner Nominierung wird auch die soziale Initiative der US-Soccer-Foundation unterstützt, Du selbst bist seit Jahren sozial engagiert, auch bei Agapedia zum Beispiel, was ist für Dich der Antrieb für Dein soziales Engagement seit so vielen Jahren?
Ich glaube einfach, dass Sport, oder in meinem Fall halt der Fußball, viele Brücken bauen kann. Er kann soziale Zielrichtungen mit entwickeln, weil er immer praktisch ein Bindeglied ist, um sich mit jungen Menschen zu verbinden und zu kommunizieren. Egal wie man ein soziales Projekt angehen möchte, der Sport hilft als Brücke. Das haben wir ganz früher in der Nationalmannschaft gemacht, egal ob das in Südafrika war oder in Mexiko. Dort gibt es nach wie vor ein Projekt, das vom DFB unterstützt wird. Und so ist es auch in den USA, wo der Sport positiv benutzt wird, um soziale Projekte zu unterstützen. Da ist man – früher als Athlet, oder heute Trainer – automatisch Bindeglied. Und deswegen ist es schön, dass es nach wie vor stattfindet, in verschiedenen Bereichen, in verschiedenen Ländern und dass man ein bisschen ein Teil davon ist, auch wenn natürlich dein Alltag beherrscht wird von deinem Beruf. Aber ich denke, es gibt kein idealeres Bindeglied, als den Sport für soziale Dinge.
Abschließend: Los Angeles ist die älteste Partnerstadt von Berlin und derzeit wird ja viel über Olympia gesprochen, ob Olympia, auch die Paralympics, nach Berlin kommen sollen? Wie fändest Du ein Olympia in Berlin?
Ich würde es für phantastisch halten sie in der Hauptstadt zu haben, die wieder die Hauptstadt schlechthin ist, seit der Wiedervereinigung. Die Möglichkeit zu haben, eine Olympiade dort hinzubekommen, das wäre natürlich phänomenal! Das wäre ein absoluter Traum für Berlin und Deutschland, weil man so viele andere Dinge damit auch verbinden könnte, so genial wie es die WM 2006 gemacht hat: Wir haben ein ganz neues Bild transportiert in die Welt, als Deutschland. Und eine Olympiade zu haben oder alleine schon einmal diese Werbekampagne zu fahren um dahin zu kommen, das wäre schon eine tolle Sache.
Den zweiten Teil des Interviews finden Sie bei unserem Partner Deutsche Welle: