Kriete war bislang in über 50 verschiedenen Ländern als eingesetzter Instruktor des Welt-Fußballverbandes (FIFA) aktiv. Er führte in den vergangenen Jahrzehnten u.a. in Vietnam, Nigeria, Somalia und Südafrika Lang- und Kurzzeitmaßnahmen durch. Von 2005 bis 2009 war er außerdem als technischer Berater des Chinesischen Fußball-Verbandes tätig. Zuletzt war er im Nepal, um in einem Kurzzeitprojekt den Jugendfußball zu fördern.
Herr Kriete, Sie haben während Ihrer Laufbahn in über 30 Ländern gearbeitet – woher nehmen Sie die Kraft, immer wieder ins Flugzeug zu steigen?
Grundsätzlich sollte eine gute körperliche Fitness, unabhängig von den Reisen, eine wichtige Basis in diesem Aufgabenfeld sein. Darüber hinaus empfinde ich es nicht als Belastung, sondern als Freude, in ferne Länder zu fliegen. Für mich ist eine Flugreise z.B. nach Johannesburg oder Shanghai weniger anstrengend als eine Autofahrt im Verkehrsstau von Hamburg nach München und wenn man die allgemeinen Tipps gegen Jetlag beachtet, z.B. sich vorab an den Tag-Nacht Rhythmus des Landes anzupassen, kann die Schwächung des Immunsystems minimiert werden.
Ihre Arbeit in fremden Kulturkreisen stellte Sie sicherlich oftmals vor ganz spezielle Herausforderungen. Was war besonders kurios?
In vielen Kulturkreisen gibt es Verhaltensweisen, die für den Betrachter mit einem westlichen Lebensstil kurios wirken. Nur sollten diese Handlungen bei dem Leser nicht zu Stereotypen wie „unterentwickelt“ oder gar „primitiv“ führen. In vielen Ländern Afrikas ist der christliche Glaube und auch der Islam mit noch heute traditionellen Riten, Gebräuchen oder verschiedenen Göttern vermischt, die über die Geisterwelt mit den Menschen in Verbindung treten und so zu Praktiken führen, die für uns vielleicht skurril wirken. In Ritualen wie z.B. beim „Juju“ Phänomen in Westafrika, in dem Aberglaube/Hexerei eine längere Tradition als Fußball hat, werden gewisse Handlungen gern zum Nachteil des Gegners eingesetzt. Bei einem Auswärtsspiel meiner nigerianischen Nationalliga-Mannschaft FC Julius Berger Lagos im Norden Nigerias wurde während der Halbzeitpause ein Schweinekopf vor unserem Tor vergraben, um so unsere Mannschaft in der Defensive zu schwächen. Daraufhin weigerte sich unsere Mannschaft zur 2. Halbzeit anzutreten. Nach einigen verbalen Tumulten und auch Handgreiflichkeiten unter den Offiziellen der beiden Mannschaften und nachdem der Tierkadaver entfernt worden war, konnte das Spiel mit einer halbstündigen Verspätung wieder angepfiffen werden – ohne das weitere Tore auf beiden Seiten fielen.
Wie kamen Sie dazu als Entwicklungshelfer zu arbeiten? Was hat Sie dazu bewogen?
Durch mein Sport-, Pädagogik- und Geographiestudium hatte ich schon eine Affinität zu der internationalen Zusammenarbeit. Dort hatte ich in Vorlesungen und Seminaren schon viele Länder „bereist“ und mich auch mit Entwicklungszusammenarbeit auseinandergesetzt. Den Anstoß, letztlich auch aktiv in die internationale Sportförderung einzusteigen, gab der ehemalige niedersächsische Verbandssportlehrer Benno Hartmann, der auf Lehrgängen sehr anregend über seine Erfahrungen als Trainer in Afrika/Asien berichtete und mich ermutigte, auch diesen Schritt zu wagen. Mein „Einstieg“ beim Aufbau des „National Institute For Sports“ in Lagos/Nigeria, in einem Land, in dem Fußball wie eine Religion zelebriert wird, war der erste Schritt in eine Reise in mehr als 50 Länder.
Sie haben allein in China, Südafrika und Simbabwe über zehn Jahre Ihres Lebens verbracht. Worauf kommt es an, wenn man als Botschafter des deutschen Fußballs unterwegs ist?
Besonders der Fußball begeistert die Menschen auf der ganzen Welt. Über den Fußball erreichen wir junge Menschen und können Werte wie Fair Play und ein gewaltfreies Miteinander vermitteln. So können die Kraft und die Potenziale des Fußballs genutzt werden, um anderen Ländern in ihrer Entwicklung zu helfen. Die vom Fußball ausgehenden Impulse wie Respekt, Zielstrebigkeit, Disziplin, Leidenschaft, Kommunikation etc. sollten Ziele und Schwerpunkte in der Aus- und Fortbildung von Trainern und Spielern sein. Fachqualifikation und -kompetenz zugrunde gelegt, ist die Bereitschaft zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit und Teamgeist mit einheimischen Kollegen, den Counterparts, unerlässlich. Erst dann wird man das neue Arbeitsumfeld richtig einordnen und sich den am Einsatzort gegebenen Bedingungen anpassen können. Der sogenannte „Einzelkämpfer“ ist fehl am Ort. Respekt für fremde Kulturen und Einfühlungsvermögen in lokale Arbeitsweisen: Diese soziale Kompetenz ist von großer Bedeutung. In Ländern, in denen es viele unterschiedliche Ethnien gibt, kann Fußball darüber hinaus zur „Nation-Building“ beitragen, wie ich es über viele Jahre hinweg selbst in Nigeria und Südafrika erlebt habe. Und dass mit Hilfe des Fußballs auch Sympathie für Deutschland geschaffen werden kann, dass internationale Sportförderung „ein wesentliches Instrument zur Förderung eines positiven Deutschlandbildes im Ausland“ (Auswärtiges Amt 2010) ist, ist sicherlich unstrittig.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die stellvertretende Premierministerin Chinas, Liu Yandong, unterzeichneten kürzlich in Berlin ein weitreichendes Fußballabkommen. Sie waren als Experte des chinesischen Fußballs dabei. Wie sehen Sie die Entwicklung des Fußballs in China?
China ist zwar mit 1,4 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land, war jedoch bislang mit nur 1621 Fußballvereinen im Vergleich zu Deutschland mit mehr als 25000 Vereinen recht unbedeutend und dabei bestehen viele Vereine nur aus einer Mannschaft. Da es eine Zivilgesellschaft mit Ehrenamt nach europäischem Vorbild in China nicht gibt, fehlt diese Basis für eine breit aufgestellte Fußballentwicklung. Selbst in einigen Profi-Fußballvereinen wurde der Jugendfußball bislang vernachlässigt, die pädagogische und schulische Betreuung unbeachtet gelassen, so dass die dortigen Jugendfußballer nicht die „pfiffigsten“ waren, wie ich es in meiner Zeit in China beobachten konnte (2004 – 2009). In dem chinesischen Schulsystem<s> </s>soll der Jugendfußball jetzt auf Anordnung verstärkt entwickelt werden. Dazu sind vor einigen Wochen verschiedene Kooperationsabkommen zwischen dem chinesischen Bildungsministerium, dem chinesischen Fußballverband und dem DFB/DFL unterzeichnet worden. Verschiedene Sportlehrer-, Trainer- und Talentförderprogramme sollen eine Verbesserung des chinesischen Fußballs bewirken, doch wird dieser Weg nach meinen Erfahrungen ein mühsamer werden und hoffentlich die hohen Erwartungen nicht enttäuschen. Ausländische Starfußballer für die chinesischen Profimannschaften kann man auf dem europäischen Markt „kaufen“, doch um Veränderungen zu erreichen, Strukturen zu schaffen, braucht es Zeit. Aber haben die Chinesen die Geduld?
2015 waren wir mit einem weiteren Botschafter des deutschen Fußballs, Eckhard Krautzun, in China und waren beeindruckt über seine Popularität und die positive Reflektion für Deutschland. Unterstützen sich die international tätigen Fußball-Lehrer eigentlich mit Erfahrungsaustausch, oder besteht eher „Wettbewerb“ untereinander?
Das Gefühl „eines Wettbewerbs untereinander“ ist bei mir noch nie aufgekommen, habe auch dazu persönlich bislang noch keine Beobachtungen machen können. Der Erfahrungsaustausch der Auslandstrainer untereinander wird zum einen durch die jährlichen DFB-Fachtagungen, die durch Markus Weidner, DFB Internationale Beziehungen, seit über zehn Jahren organisiert werden, unterstützt und thematisch gefördert, zum anderen gibt es unter den Kollegen, teilweise ist man befreundet, ein gutes Vertrauensverhältnis, das individuelle Kontakte ermöglicht. Für mich sind jedoch in erster Linie der Austausch und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den einheimischen Partnern vor Ort, den Counterparts, unentbehrlich. Loyale und engagierte lokale Kollegen, die Einblicke in länderspezifische/kulturelle/einflussnehmende Aspekte geben können, die man „fördern und fordern“ kann, sind wesentliche Bausteine einer wirksamen und nachhaltigen Auslandstätigkeit.