Interessierte, die sich auf der Internetseite der Deutschen Botschaft in Helsinki, Finnland unter der Rubrik “Deutsche Institutionen in Finnland“ informieren möchten, finden mitunter unseren Partner Goethe-Institut – insbesondere aber auch den 2017 gegründeten Verein – FC Germania Helsinki. Wir haben uns mit David und Benjamin unterhalten und tolle Eindrücke erhalten, wie sich aus einer „Stammtisch-Idee“, ein Verein entwickelte, der über den Fußball Kulturen verbindet und als internationale Anlaufstelle für Einwanderer in Helsinki gilt.
Deutscher Fußball Botschafter:
Hei ja hyvää päivää Euch und vielen Dank für Eure Zeit. Wir freuen uns, ein klein wenig mehr über Euer großartiges Projekt und Eure Eindrücke aus Finnland in Erfahrung bringen zu dürfen. Zuallererst, könnt ihr euch kurz vorstellen und mir erzählen, wie ihr zum FC Germania Helsinki gekommen seid?
Benjamin:
Hallo! Mein Name ist Benjamin Girod, ich bin 19 Jahre alt und habe diesen Frühling mein Abitur an der Deutschen Schule Helsinki absolviert. Das erste Mal habe ich vom FC Germania Helsinki erfahren, als mir mein Klassenkamerad, welcher der Sohn einer der Gründungsmitglieder ist, von dem Verein erzählt hat. Im Jahr 2017 war ich dann das erste Mal beim Training und seitdem Mitglied im Verein.
David:
Hallo auch von meiner Seite und vielen Dank für das Interview. Ich komme ursprünglich aus Deutschland und wohne seit 2015 hier in Finnland. Nach kurzer Zeit hier habe ich gemerkt, dass mir der Fußball schon etwas fehlt und dann habe ich mal beim Training vom FC Germania Helsinki vorbeigeschaut.
Deutscher Fußball Botschafter:
Kommen wir zuerst einmal auf die Fußball-Europameisterschaft zu sprechen, an der die finnische Nationalmannschaft erstmals in Ihrer Historie teilnehmen kann. Glaubt Ihr, dass die finnische Nationalmannschaft, wie die Isländer bei der EM 2016, für eine Überraschung sorgen kann?
Benjamin:
Warum denn nicht? Als absoluter Außenseiter haben die Finnen nichts zu verlieren, und genau das könnte ihnen zur Hilfe kommen. Das Überstehen der Gruppenphase wäre bereits ein Riesenerfolg, wobei man aus finnischer Sicht sicherlich auch auf ein Weiterkommen als bester Gruppendritter spekuliert.
David:
Ich denke, dass in der Gruppe B hinter Belgien eigentlich alles möglich ist (vielleicht etwas mit der finnischen Brille!). Wenn Finnland mit ihrer gewohnt starken Defensivleistung den gegnerischen Angriff in die Frustration treiben, ist ein Unentschieden eigentlich immer machbar. Und dann gibt es ja noch Teemu Pukki und Joel Pohjanpalo von Union Berlin, die, wie man sieht, für ein Tor immer gut sind.
Deutscher Fußball Botschafter:
Wem werdet Ihr die Daumen drücken?
Benjamin:
Natürlich Deutschland und Finnland!
David:
Als Deutscher in Finnland lebend hoffe ich auch auf ein erfolgreiches Turnier beider Mannschaften. Dann haben wir viele Spiele zum zusammen Mitfiebern bei uns im Verein.
Deutscher Fußball Botschafter:
Hat sich mit der erfolgreichen Qualifikation 2019 die Aufmerksamkeit für den Fußball in Finnland nochmal verändert – und hatte dies Auswirkungen auf Euren Verein FC Germania Helsinki?
Benjamin:
Ich denke schon, dass sich die Qualifikation zur Europameisterschaft positiv auf den finnischen Fußball ausgewirkt hat. Finnland wird nicht mehr als reine Eishockey-Nation wahrgenommen und die gute Arbeit, die in den letzten Jahren im Nachwuchs geleistet wurde, wird endlich belohnt. Für den FC Germania Helsinki hatte die Qualifikation aus meiner Sicht allerdings keinen großen Einfluss, denn schon vorher ist der Verein dank vieler freiwilligen Helfer stetig gewachsen und professionalisierte sich weiter.
Deutscher Fußball Botschafter:
Wie kam die Idee zur Gründung des Vereins zustande?
David:
Das war 2015 eigentlich sprichwörtlich eine Schnapsidee, die im Rahmen des regelmäßig stattfindenden Deutschen-Stammtischs aufkam. Ich denke, das ein oder andere Bier und die Weltmeisterschaft im Jahr zuvor haben zur Euphorie beigetragen. Danach ging alles aber sehr schnell, 2017 hatten wir die offizielle Gründungsversammlung und im darauffolgenden Jahr wurde unser Verein in das finnische Vereinsregister eingetragen. Auch sportlich ging es rasant bergauf und wir haben zurzeit mehr als 80 Mitglieder, die sich in drei Erwachsenenteams auf unterschiedlichen Leistungsniveaus messen.
Deutscher Fußball Botschafter:
Wie seht Ihre Eure Rolle als Botschafter des deutschen Fußballs in Finnland? Was habt Ihr in dieser Hinsicht bisher gemacht?
David:
Wir sehen uns hier wirklich in einer wichtigen Rolle und wollen mit unseren Werten und Aktivitäten zu einem wichtigen Bindeglied zwischen verschiedenen Nationen werden. Wir sind übrigens auch als Teil der Deutschen Institutionen hier in Finnland von der Deutschen Botschaft gelistet und haben mit den anderen Institutionen wie dem Goethe-Institut Finnland, der Deutschen Gemeinde oder der Deutschen Schule Helsinki eine enge Beziehung. Unsere deutschen Wurzeln wollen wir vor allem dazu nutzen, um die deutsche Fußballkultur bei uns im Verein und auch ein kleines bisschen in Finnland selbst zu etablieren. Dass heißt ganz konkret, dass Gemeinschaft und der soziale Aspekt unglaublich wichtig sind. Zudem möchte ich betonen, dass wir ein weltoffener Verein sind und Mitglieder unabhängig von ihrer Herkunft willkommen heißen. Viele entschieden sich genau deshalb für den FC Germania Helsinki zu spielen und fühlen sich deshalb so wohl bei uns.
Deutscher Fußball Botschafter:
In Eurem Verein spielen ja mittlerweile über 20 Nationen in mehreren Mannschaften zusammen – wie kann man sich da das Vereinsleben vorstellen? Spielt der Deutschlandbezug für Euch im Vereinsleben eine große Rolle?
Benjamin:
Das ist von Person zu Person unterschiedlich. Es gibt viele Deutsche, die im Verein einen Anschluss und soziale Kontakte in Finnland suchen. Für andere steht der sportliche Wettkampf an erster Stelle. Da wir mittlerweile drei Mannschaften mit verschiedenen sportlichen Ambitionen stellen, ist für jeden etwas dabei.
David:
Wie Benjamin ja schon sagt, kommt es natürlich etwas darauf an. Wir versuchen auf und neben dem Platz immer darauf zu achten keinen auszuschließen und kommunizieren auch alle offiziellen Mitteilungen in Deutsch und Englisch. Ansonsten kann man bei unseren Trainings und Events mittlerweile eine bunte Mischung aus Englisch, Finnisch, Deutsch und vielen anderen Sprachen hören.
Deutscher Fußball Botschafter:
Hat der Fußball als kulturübergreifendes Bindeglied generell in der finnischen / „Helsinkier“ Gesellschaft einen großen Stellenwert? Oder sind das eher andere Sportarten?
David:
Traditionell hat Eishockey hier in Finnland sicherlich einen übergeordneten Stellenwert. Jedoch nimmt der Fußball, auch aufgrund der Erfolge der finnischen Nationalmannschaft in letzter Zeit, immer mehr an Bedeutung zu. An sich würde ich behaupten, dass die Finnen sich sehr gerne sportlich betätigen und dies zusammen mit der Naturverbundenheit wichtige Säulen der finnischen Kultur sind.
Deutscher Fußball Botschafter:
Welche Highlights aus Eurem Vereinsleben, werdet Ihr immer in Erinnerung behalten?
Benjamin:
Aus meiner Sicht auf jeden Fall der Aufstieg aus der ‚‚Kutonen” in die ‚‚Vitonen” im Jahr 2019. Es war unsere erste Saison im Amateurfußball, nachdem wir zuvor nur in einer Hobbyliga 7 vs 7 gespielt hatten. Die Spielzeit war ein voller Erfolg für die gesamte Mannschaft und die Freude war natürlich entsprechend groß.
David:
Neben den rein sportlichen Erfolgen erinnere ich mich auch immer gerne an die ganzen sozialen Aktivitäten zurück, die wir im Verein hatten. Egal ob Freundschaftsspiele gegen ein Team von irakischen Flüchtlingen oder gegen internationale Teams von finnischen Parlamentariern bis hin zu Botschaftsmitarbeitern oder unsere Veranstaltungen zusammen mit den anderen Deutschen Institutionen wie gerade wieder unser Outdoor Viewing des EM-Spiels Portugal gegen Deutschland letzten Samstag bei der Deutschen Schule Helsinki mit 80 Gästen, u.a. von der deutschen und portugiesischen Botschaft in Helsinki. Für viele Mitglieder waren die Saisonabschlussfahrten nach Tallinn absolute Highlights, zum Beispiel als wir das mit dem Spiel der Nationalmannschaft gegen Estland 2019 verbunden haben.
Deutscher Fußball Botschafter:
Mit Thomas Dähne, Torwart von Holstein Kiel, habt Ihr zudem ein prominentes Ehrenmitglied gewinnen können, als dieser als Botschafter des deutschen Fußballs für HJK Helsinki aktiv war. Wie kam damals der Kontakt zustande? Seid Ihr noch in stetigem Austausch?
David:
Erfreulicherweise ja. Thomas kam eines Tages mal zu einem Spiel unserer Mannschaft in der Helsinkier Hobbyliga vorbei, was natürlich für uns alle eine große und schöne Überraschung war. Er bekam dann natürlich gleich einen Fanschal von uns. Seitdem sind wir weiter in Kontakt geblieben und haben ihn auch zu seinen Spielen besucht. Er ist ja dann als Nummer 1 im Tor von HJK Helsinki 2017 finnischer Meister und Pokalsieger geworden und hat uns sogar ein Siegertrikot als Geschenk überlassen. Thomas war dann auch bei unserer offiziellen Gründungsversammlung dabei. Der Kontakt ist auch nach seinem Weggang aus Helsinki nicht abgebrochen. Zuletzt haben wir im ganzen Verein mitgefiebert und seine Spiele diese Saison mit Kiel verfolgt. Leider hat es ja mit dem Aufstieg am Ende doch nicht geklappt. Jetzt wo sich die Coronasituation auch langsam wieder entspannt, können wir hoffentlich auch endlich bald die Idee einer Fahrt nach Deutschland zu einem Spiel von Thomas weiter verfolgen.
Deutscher Fußball Botschafter:
Corona hat unser „normales“ Leben völlig auf den Kopf gestellt – wie habt Ihr persönlich die Pandemie bisher erlebt?
Benjamin:
Als Schüler hatte die Pandemie selbstverständlich Auswirkungen auf meinen Schulalltag. Die gesamte Oberstufe musste sich in Homeschooling begeben und es gab wie überall einige Startprobleme, die wir aber meistern konnten. Unter anderem musste auch unsere Abiturfeier diesen Frühling abgesagt werden.
David:
Ich habe einen Job im Büro und habe eigentlich seit über einem Jahr nur von zu Hause aus gearbeitet. Technisch hat das alles super geklappt, aber ab und zu ist es trotzdem schön die Kollegen nicht nur online zu sehen. Jedoch muss ich auch betonen, dass wir uns hier in Finnland wirklich glücklich schätzen können. Im Vergleich zu Deutschland und anderen Ländern waren die Einschränkungen wirklich moderat.
Deutscher Fußball Botschafter:
Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf Germania Helsinki?
Benjamin:
Zunächst einmal mussten im Frühjahr 2020 alle geplanten Trainingseinheiten und Spiele abgesagt werden. Allerdings war es uns glücklicherweise trotzdem möglich, die Saison in einem abgewandelten Ligasystem zu Ende zu bringen und mit einem zufriedenstellenden vierten Tabellenplatz zu beenden. Mit dem Einbruch der zweiten Welle wurde das Mannschaftstraining im Winter wieder auf Eis gelegt. In Kleingruppen und individuellen Trainingseinheiten haben sich die Spieler fit gehalten und für die kommende Saison vorbereitet. Durch die erneuten Lockerungen der Corona-Maßnahmen im Mai konnten wir jetzt endlich wieder unser Training und die Liga beginnen. Sogar eine zweite wöchentliche Trainingseinheit für den Sommer 2021 wurde kurzfristig angesetzt.
David:
Genau, wir sind guter Dinge, zumal unser Aktivitäten jetzt wieder in vollem Umfang laufen. Und dann kommt noch die aufregende EM dazu. Das ist schon ein richtiger Fußballsommer bei herrlichem Wetter!
Deutscher Fußball Botschafter:
Welche Ziele wollt Ihr in der Zukunft noch mit dem FCGH erreichen?
Benjamin:
Als Spieler will ich immer den maximalen sportlichen Erfolg und schon diese Saison mit dem FCGH in die nächsthöhere Spielklasse, die ‚,Nelonen” aufsteigen. Der Slogan unseres Vereins lautet ,,Veikkausliiga wir kommen” – das ist die erste finnische Fußballliga. Auch wenn der Slogan mit einem Augenzwinkern zu betrachten ist, stellt er einen guten Leitfaden für die sportlichen Ziele des Vereins dar: Nach oben sind keine Grenzen gesetzt! Darüber hinaus soll der FC Germania Helsinki weiterhin eine Gemeinschaft für Fußballbegeisterte sein und dabei helfen Deutschsprachige in Helsinki miteinander zu vernetzen.
Deutscher Fußball Botschafter:
Zum Abschluss unseres Gespräches wünschen wir Euch selbstredend für Eure Vorhaben weiterhin viel Erfolg. Es war großartig, Eindrücke von Eurer Arbeit und Eurem Verein zu bekommen. Vielen Dank für das Gespräch.